Neu: Zahlreiche Boccaccio-Novellen zum Lesen und Ausdrucken!

Komponist
&Werk

DER KOMPONIST

Suppé ist das Kind einer internationalen und im Grunde doch altöstereichischen Familie: Sein Vater, ein geborener Cremonese, entstammte einer aus Plandern in die Lombardei gekommenen Familie und war kaiserlicher Kreiskommissär in Spalato, dem heutigen Split in Dalmatien. Seine Mutter war eine Wienerin polnisch-tschechischer Abstammung. Suppé sollte nach dem Willen seines Vaters wie dieser die Beamtenlaufbahn ergreifen und wurde nach Zara (Zadar) auf die Lateinschule gechickt. Dort machte er die Bekanntschaft des Militärkapellmeisters Ferrar, durch den er den Zauber und die Wirkung von Walzer- und Marschrhythmen kennenlernte, und des Domorganisten Cigalla, der ihn mit der geistlichen Musik vertraut machte. Als Suppe in diesen frühen Jahren eine Missa dalmatica komponierte, wurde sie von Cigilla zur Aufführung gebracht.

Nach Abschluss des Gymnasiums kam Suppé an die Universität nach Padua, wo er nach dem Willen seines Vaters Rechtswissenschaften studieren sollte. Doch war er damals schon von der Musik besessen und fuhr ständig nach Mailand, um die grossen Werke des Belcanto zu hören.

1893 starb sein Vater und Suppé ging mit seiner Mutter zurück in deren Heimatstadt Wien, wo er sich durch Italienischstunden ein Musikstudium finanzierte. Mit 21 Jahren wurde er Hilfskapellmeister am Theater in der Josefstadt, brachte im folgenden Jahr sein erstes Bühnenwerk, eine Komödie heraus, verehelichte sich schon früh, dirigierte an kleinen Theatem , wobei er gleichzeitig an der Komposition einer italenischen Oper arbeitete. Das Jahr 1842 brachte endlich die erhoffte Begegnung mit Donizetti, als dieser nach Wien kam. Es gelang Souppé ihn zur Durchsicht seiner Opempartitur zu bewegen: Donizetti fand sie talentvoll und forderte Suppé auf, zu Studienzwecken im Sommer zu ihm nach Italien zu kommen.

Nach seinen Wanderjahren durch die Provinz wurde Suppé Dirigent am Theater an der Wien und komponierte daneben Musikbegleitungen zu verschiedenen Sprechstücken und Vaudevilles. In dieser Zeit entstand die famose Ouvertüre zu dem gleichnamigen, längst verschwundenen Theaterstück "Dichter und Bauers", aus dem man erst lange nach seinem Tod eine Operette zusammenzimmerte. Zu dieser Zeit wurden im Carl-Theater mit riesigem Erfolg Offenbachs Werke gespielt und Suppe kam auf den Gedanken, die Art des genialen Deutschfranzosen ins Österreichische zu übertragen. So entstand 1860 als erste einigermassen wienerische Operette "Das Pensionat" und in den nächsten zwanzig Jahren eine Reihe von zunächst einaktigen, in der Folge aber auch abendfüllenden musikalischen Bühnenwerken, bis hin zu seinen noch heute viel gespielten Meisterwerken. In den letzten 15 Lebensjahren liess Suppés musikalische Erfindungskraft nach, doch wurden auch seine letzten Werke dank ihrer sorgfältigen musikalischen Ausführung - darin ist Suppé seinen komponierenden Kollegen weit voraus - Erfolge, ohne allerdings dauernde Lebenskraft, wie etwa »Boccaccio«, zu zeigen. Der letzte grosse Erfolg des altemden Meisters wurde die Premiere der »Jagd nach dem Glück« am 27. Oktober 1888 nach einem Text von Richard Genée. Vier Jahre vor Johann Strauss starb Suppé mit 76 Jahren in Wien. Seine Bedeutung in der Geschichte der Operette liegt darin, dass er noch vor Johann Strauss eine allerdings von fremden Einflüssen noch nicht losgelöste Wiener Operette geschaffen hatte, die sich von dem bisher das musikalische Unterhaltungstheater beherrschenden Offenbach freimachte.

Das Werk

"Boccaccio" ist das größte und melodienreichste Werk Suppés. Hier zeigt er sich auf der vollen Höhe seiner Schaffenskraft und entfaltet seinen stärksten Erfindungsreichtum. Die berühmteste Melodie der Operette ist das Duett "Hab ich nur deine Liebe", dicht gefolgt von dem Lied "Florenz hat schöne Frauen« (Mia bella fiorentina). Weitere glänzende Erfindungen sind die Tarantella "Undici, dodici", die Serenade "Holde Schöne, hör meine Töne", der Chor "Misericordia", das Terzett "Wonnevolle Kunde", und die schwungvolle Ouvertüre. In allen diesen Nummern zeigt sich die italienische Schule des Komponisten auf das deutlichste. Den italienischen Klangraum und darin die Stadt Florenz mit eigenem, unverwechselbarem Tonfall herbeizumusizieren, fällt Suppé nicht schwer. Dem gebürtigen Dalmatiner war dieses klingende Milieu von klein auf vertraut. Die melodische und rhythmische Italianita kann freilich nicht die Hauptattraktion von Boccaccio sein. Sie ist nur die unwiderstehliche Aeusserung seiner leibhaftigen, eingriffslustigen und lebenspraktischen Poesie. Immerhin fällt auf, wenn man dieses Werk mit andern Operetten vergleicht, die ebenfalls frühere Epochen vergegenwärtigen: die südliche Renaissance entlockt der Gattung ungleich fröhlichere und optimistischere Töne als etwa das nördliche Mittelalter. Dass die Handlung auf historische Tatsachen aus dem Leben des Dichters (1313-1375) anspielt, verleiht dem Werk zusätzlichen Reiz.

Die Titelfigur

Boccaccio wurde 1313 in Paris geboren. Er entstammt einer Liaison eines florentinischen Kaufmanns mit einer französischen Adeligen. Boccaccio wuchs in Florenz auf und begann dort eine kaufmännische Lehre, die ihn 1330 nach Neapel führte. 1332 gab er den Kaufmannsberuf auf, um sich dem Studium der Rechte zu widmen. Er verbrachte einige Jahre am Königshof in Neapel und begann dort seine dichterische Laufbahn. 1340 kehrte er nach Florenz zurück, wo er das Amt eines Richters und Notars antrat. Diplomatische Missionen fü§;hrten ihn 1365 zu Papst Urban V. und 1367 nach Rom. 1373 hielt er noch Vorlesungen über Dantes "Göttliche Komödie", dann zog er sich auf sein Landgut bei Florenz zurück, wo er am 21.12. 1375 starb.

"Im menschlichen Wesen liegt es, Mitleid mit den Unglücklichen zu haben; und obwohl das jedermann wohl ansteht, so wird es doch sonderlich von denen gefordert, die einmal selbst des Trostes bedurften und ihn bei andern gefunden haben: wenn ihn aber je Menschen nötig gehabt oder ihn geschätzt oder Freude von ihm empfangen haben, so bin ich einer von ihnen. Denn von meiner ersten Jugend an bin ich bis zu dieser Zeit in einer hohen und adeligen Liebe über die Massen entbrannt gewesen, mehr vielleicht, als es, wenn ich davon erzählen wollte, meinem niedrigen Stande angemessen schiene; obwohl ich nun deswegen von den verständigen Männern, die davon Kunde bekommen haben, gelobt worden und in ihrer Achtung um vieles gestiegen bin, habe ich nichtsdestoweniger dieser Liebe halber gar schwere Pein zu erleiden gehabt, wahrlich nicht, weil die geliebte Dame grausam gegen mich gewesen wäre, sondern wegen der übermässigen, von einer wenig gezügelten Begierde in meinem Herzen entzündeten Glut, die mir, weil sie mich bei keiner ziemlichen Grenze Befriedigung finden liess, zu often Malen mehr Leid gebracht hat, als nötig gewesen wäre."
(G. Boccaccio)

Hermann Hesses Vorwort in seiner Abhandlung über Boccaccio:

Verehrte Herrschaften und vor allem Ihr, schöne und angebetete Damen! Es ist üblich, daß demjenigen, der ein schönes Geschenk oder Kleinod überbringt, ein guter Dank und Lohn zuteil wird; und so werdet auch Ihr, wenn ich Euch einen reichen Schatz ohne allen Anspruch auf Gewinn oder Lohn übergebe und anpreise, es freundlich aufnehmen und mir im stillen Dank dafür wissen. Dies tue ich aber, indem ich Euch das Buch meines Freundes Giovanni Boccaccio aus Florenz in die Hände lege; denn Ihr werdet, sofern Ihr es verständig leset, in demselben eine solche Fülle von schönen, klugen, erfreulichen, rührenden und lächerlichen Geschichten entdecken, wie sie vielleicht außerdem kein anderes Buch irgendeines Dichters enthält.

Seid Ihr nie an einem schönen, warmen Tage im Frühsommer an einem fremden Garten vorübergegangen? Ihr waret allein und verdrossen, und aus dem Garten brachte der Wind den Geruch von Rosen und Orangenblüten, das Silbergetön einer plätschernden Fontäne, die Klänge einer Gitarre und das von Gelächter unterbrochene Plaudern fröhlicher junger Leute zu Euch heraus. Da ergriff Euch Traurigkeit und eine mächtige Sehnsucht, hineinzugehen, die staubige Landstraße mit grünem Rasen und Blumenbeeten zu vertauschen, die Lieder der Sänger und die frohen Gespräche der Glücklichen anzuhören und Eure Sehnsucht an all der Heiterkeit und Freude nach Herzenslust zu ersättigen.

Wohlan, Ihr werten Leute, hier ist das Tor des Gartens: es ist geöffnet, und aus den Büschen dringt Blütenduft, Gelächter, Liedergesang und Saitenspiel. Tretet ein, nehmet Platz, sättiget Euer Verlangen! Höret Ihr gerne schöne Lieder an? Oder habt Ihr Lust, Euch eine traurige Liebesmäre erzählen zu lassen? Oder freut es Euch, einen Witz, eine Posse, eine kräftige Anekdote zu vernehmen? Oder von Beispielen des Edelsinns und höchster Tugend zu hören? Traget Ihr Verlangen nach vielfältigen und unerhörten Abenteuern, oder mehr nach galanten Historien, bei wclchen die Damen erröten und sich, der guten Sitte halber, ein wenig entrüstet stellen?

Ihr alle möget eintreten, und jeder wird finden, wonach er sich sehnte. Denn die hundert Geschichten des edlen Herrn Boccaccio sind so beschaffen, daß sie die Jünglinge zum Entzücken, die Mädchen zum Erröten oder zur Rührung, die Männer zum Lachen, die Weisen zum Nachdenken nötigen. Man findet in diesen Geschichten die verschiedenen Arten der menschlichen Natur und Temperamente, der Liebe und Freundschaft, der Schicksale in Leben und Sterben, alles auf eine anmutige und wahrhaftige Art erzählt und dargestellt. Für Kinder von zartem und unerfahrenem Alter sind sie nicht geeignet, auch nicht für blöd gewordene Greise, auch nicht für Leute von feindseliger, kleinlicher und mürrischer Sinnesart. Außer diesen aber mögen sie von jungen und alten jeder Art mit großem Vergnügen und gewiß auch nicht ohne Nutzen gelesen werden.

Ehe ich weiter von diesem merkwürdigen Buche mit Euch rede, will ich aber erzählen, wer eigentlich jener Herr Boccaccio war (denn er ist leider schon seit längeren Zeiten verstorben), und wie er das Dekameron geschrieben hat...